Futtermittelallergie? Die Ausschlussdiät - Sinn, Unsinn und Fallstricke bei der Umsetzung

"Herr Doktor, mein Hund bekommt jetzt schon seit 10 Tagen überwiegend getreidefreies Futter aber er kratzt sich immer noch, also kann es doch nicht am Futter liegen?!“ Diesen oder ähnliche Sätze/Fragen bekomme ich fast täglich in meiner Hautsprechstunde zu hören. Um es kurz zu machen, allein in der oben zitierten Aussage stecken wenigstens 3 häufige Denkfehler. 1.: "seit 10 Tagen..." 10 Tage sind in der absoluten Mehrheit der Fälle keineswegs ausreichend, um zu sehen, ob ein (z.B. Haut)problem auf ein bestimmtes Futtermittel/eine bestimmte Zutat zurück zuführen ist. 2.: "überwiegend". Echte Allergien sind nicht "mengenabhängig", weshalb kleinste Mengen eines potentiellen Allegenes (=allergie auslösenden Stoffes) genügen, um die entsprechenden Krankheitszeichen auszulösen oder auch aufrecht zu halten. Wird ein potentielles Allergen also gemieden (in diesem Fall das Getreide, um eine mögliche Allergie dagegen auszuschließen), so muss dies in aller Konsequenz erfolgen und für die gesamte Dauer der so genannten Ausschlussfütterung darf nicht die kleinste Menge Getreide (auch nicht als Belohnung oder "zwischendurch") verabreicht werden. 3.: "sicher keine Futtermittelallergie". Abgesehen von den oben genannten Gründen für einen mögliches Versagen der "Ausschlussdiät" gibt es genügend Gründe dafür, dass eine Futtermittelallergie wenigstens auf die eingangs ("10 Tage überwiegend getreidefrei") beschriebene Art und Weise keineswegs ausgeschlossen werden kann. Der folgende Text will mögliche Denk- und Anwendungsfehler bei der so genannten Ausschlussdiät verständlich machen. Aber zunächst einmal einige Definitionen zum Verständnis: Allergen = ein Allergie auslösender Stoff (z.B. aus der Umwelt oder der Nahrung) Ausschlussdiät (Syn. Eliminationsdiät) = wie der Name sagt zielt eine Ausschlussdiät darauf ab, all diejenigen Stoffe aus der Nahrung „auszuschließen“, also zu meiden, von denen unterstellt wird, dass sie möglicherweise als Allergene fungieren und die allergisch bedingten Krankheitszeichen wie etwa Juckreiz oder Magen-Darmbeschwerden auslösen. Zur Durchführung greift man über einen längeren Zeitraum (mindestens 4-6, maximal 12 Wochen) auf eine Kost zurück, die sich im Idealfall ausschließlich aus einer noch nie zuvor gefütterten Eiweißquelle (i.d.R. Fleischsorte) sowie einer Gemüsesorte (alternativ z.B. so genannte Pseudogetreide) zusammensetzt. Das Prinzip basiert auf der Tatsache, dass eine Allergie grundsätzlich nur gegen Stoffe bestehen kann, denen der Organismus bereits über längere Zeiträume beziehungsweise wiederholt ausgesetzt war. Wird etwas nie zuvor Aufgenommenes gefüttert, so müssen die Krankheitszeichen innerhalb einer gewissen Zeit verschwinden, sofern sie auf im zuvor verabreichten Futter enthaltene Allergene zurückzuführen waren. Ist dies nicht der Fall, kann eine Futtermittelallergie als Ursache der bestehenden Probleme ausgeschlossen werden. Auf dem Markt befindliche Bluttests zur „Diagnose Futtermittelallergie“ werden den nötigen Anforderungen leider bis heute eher nicht oder nur äußerst begrenzt gerecht und sind daher kaum als Alternative zur Ausschlussdiät zu empfehlen. Hypoallergene Futtermittel/Rationen: Als Goldstandard der Ausschlussdiät werden selbst zubereitete „Monoprotein“diäten (z.B. Pferdefleisch und Süßkartoffel) betrachtet. Zudem existiert eine ganze Bandbreite kommerzieller „hypoallergener“ Diäten, die den o.g. Ansprüchen gerecht zu werden versuchen. Einige basieren auf dem Prinzip der Hydrolyse, ein chemisches Verfahren, bei dem in den Zutaten enthaltene Nahrungseiweiße auf eine Molekulargröße zerkleinert werden, die keinerlei allergene Wirkung mehr entfalten dürfte (Ein Allergen muss eine bestimmte Molekulargröße aufweisen). Nicht alle Hunde sprechen jedoch auf kommerzielle Diäten an, die Gründe hierfür sind nicht bis ins letzte Detail bekannt. Dies ist auch der Grund dafür, dass Dermatologen und Allergologen wenigstens zur Abklärung der Ursache bestimmter Krankheitszeichen und bei einem entsprechend bestehenden Verdacht selbst zubereiteten Ausschlussdiäten den Vorzug geben. Achtung: selbst zubereitete Ausschlussdiäten sind im Bezug auf ihren Nährstoffgehalt und die entsprechende Ausgewogenheit defizitär. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass gesunde Hunde über einen Zeitraum von maximal 12 Wochen keinerlei Mangelerscheinungen entwickeln können. Wird eine entsprechend selbst zubereitete Diät über diesen Zeitraum hinaus fortgeführt, so bedarf es unbedingt einer Vitamin- und Mineralstoffergänzung. Was aber, wenn es bei einem entsprechenden Verdacht und der Durchführung dieser Ausschlussfütterung zu keiner Besserung der klinischen Symptome kommt? Handelte es sich in dem Fall um keine Futtermittelallergie? Nun, wenigstens in den meisten Fällen gilt nach erfolgloser Durchführung einer Ausschlussdiät über einen Zeitraum von max. 12 Wochen eine Futtermittelallergie als ausgeschlossen und es bedarf der weiteren Abklärung der möglichen Ursachen für die beobachteten Krankheitszeichen. Allerdings gibt es „Stolperquellen“, die den Tierhalter und auch den Tierarzt möglicherweise in die Irre führen können. Bruno Bruno war eine französische Bulldogge, die sich seit dem Alter von 3 Monaten fast am ganzen Körper kratzte und wiederholt Ohrinfektionen aufwies. Sei Kot war trotz regelmäßiger Entwurmungsbehandlungen stets weicher bis breiiger Konsistenz und er litt an häufigen Blähungen. Gemeinsam mit den Haltern entschieden wir uns für die Durchführung einer Ausschlussdiät auf Basis von Pferdefleisch und Pastinake über einen Zeitraum von zunächst 6 Wochen, da eine Futtermittelallergie als Ursache für Bruno’s Probleme zumindest wahrscheinlich schien. Nach 4 Wochen berichteten Bruno’s Halter, dass Bruno fast keinen Juckreiz mehr zeigte und sein Kot fest und von normaler Farbe erschien. Wir entschieden uns, die Diät zunächst weitere 3 Wochen fortzuführen. Nach insgesamt 5 Wochen jedoch erhielt ich einen Anruf von Bruno’s Halterin, die die Diät abgebrochen hatte und davon ausging, dass „es nicht am Futter gelegen hatte“, da Bruno trotz seiner Diät „wieder ausgeprägten Juckreiz zeigte“. Auf meine entsprechende Nachfrage berichteten die Halter, dass dieses Mal überwiegend der Rücken vom Juckreiz betroffen schien und auch eine starke Schuppenbildung zu beobachten war. Ich entschied mich, Bruno nochmals gründlich zu untersuchen und wir fanden mithilfe einer einfachen mikroskopischen Untersuchung der Schuppen von Brunos Rücken überraschend heraus, dass der Patient dieses Mal an einem Befall mit Cheyletiellen (Raubmilben) litt. Diese Schmarotzer verursachen (nicht nur beim Hund) Schuppenbildung und ausgeprägten Juckreiz. Eine einfache Milbenbehandlung löste im Anschluss Bruno’s Problem und jenes (juckender Ausschlag) seines Frauchens gleich mit. Die Moral von der Geschicht? Nicht immer muss ein ähnliches bis gleiches Krankheitszeichen auf eine bereits bekannte oder festgestellte (Bruno litt durchaus an einer Futtermittelallergie) Ursache zurückzuführen sein und der oftmals aus einer bekannten Erkrankung resultierende „Tunnelblick“ kann schnell dazu führen, dass andere Krankheitsursachen oder auch multiple Krankheitsgeschehen mit ähnlicher Symptomatik übersehen werden. Weitere mögliche Fehlerquellen oder besser Ursachen für eine Fehlinterpretation der (fälschlich als erfolglos betrachteten) Ausschlussdiät: Fremdproteine in der Ausschlussdiät können auch in geringer Menge den Erfolg verhindern. Dies können „Kontaminationen“ sowohl in kommerziellen „hypoallergenen“ Diäten sein, aber auch z.B. vom Patienten sporadisch aufgenommenes (andere Tiere im Haushalt, Aufnahme von „Fremdnahrung“ beim Gassigehen, heimliches Füttern durch dritte Personen usw.) Futter. Multiple Allergien Nicht wenige allergische Hunde reagieren auf mehr als ein Allergen. So können beispielsweise eine Floh-, eine Futter- und/oder eine Umweltallergie gleichzeitig bestehen und es bedarf mindestens zwei Faktoren bis zum Auftreten sichtbarer Krankheitszeichen. Für den Autor ist dies ein Grund dafür, mindestens für die Dauer einer Ausschlussdiät parallel ein Floh-, Zecken- und möglicherweise Insektenschutzpräparat (nach Absprache mit dem Tierarzt z.B. Halsband, Spot-on, Tablette) anzuwenden, um Fehlinterpretationen eventuell erneut auftretender Symptome wie in Bruno’s Fall zu vermeiden. „Neusensibilisierung“ Nachweislich kann ein zu Futtermittelallergien neigendes Individuum im Laufe der Zeit auch auf ein „neues“, im Zuge der Ausschlussdiät zunächst erfolgreich eingesetztes Nahrungseiweiß (exotische Fleischsorte) reagieren. Diesen Prozess nennen wir dann Neusensibilisierung. In einem derartigen Fall genügt es, erneut den Eiweißträger/die Zutat zu wechseln. Sekundäre Haut- und Ohrinfektionen Bei nicht wenigen allergischen Tieren kommt es durch intensives Kratzen/Lecken aufgrund des allergisch bedingten Juckreizes zu einer andauernden Selbsttraumatisierung von Haut, Ohren, Pfoten etc. Dies führt über kurz oder lang oftmals zu Hautinfektionen durch in der Regel banale Keime, die auf geschädigter Haut Fuß fassen und entsprechend „überwuchern“. Daraus können teils chronische Hautinfektionen entstehen, die für einen zusätzlichen Juckreiz sorgen, so dass sich das Problem unter Umständen auch über die erfolgreiche Beseitigung der Primärursache (Vermeidung auslösender Futtermittelallergene mithilfe der Ausschlussfütterung) hinaus selbst aufrecht erhält. Ohne eine entsprechende Behandlung dieser sekundären Hautinfektionen ließe sich das Problem nicht mehr lösen und die Ausschlussdiät würde unter Umständen fälschlicherweise als erfolglos eingestuft und abgebrochen. Selbstverständlich bedeutet ein ausbleibender Erfolg der korrekt und konsequent durchgeführten Ausschlussdiät in den meisten Fällen, dass es sich bei den verdächtigen Symptomen tatsächlich nicht um eine Futtermittelallergie gehandelt hatte. Abschließend lässt sich sagen, dass die Ausschlussdiät die Methode der Wahl darstellt, um bei einem entsprechenden Verdacht eine mögliche Futtermittelallergie auszuschließen oder den Verdacht entsprechend zu betätigen. Um mögliche Fehler zu vermeiden ist es jedoch entscheidend, die Diät konsequent und in Absprache mit dem Tierarzt durchzuführen um Enttäuschungen oder auch Fehlinterpretationen zu vermeiden. Zum Vertiefen: Wenn Futter krank macht: Futtermittelallergien und -unverträglichkeiten bei Hunden CADMOS Verlag 31. März 2012 von Martin Bucksch